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Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 12 WF 8/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 242 | |
ZPO § 606 Abs. 1 |
2. Der in Kenntnis der nicht gegebenen Zuständigkeit des VG mit dem Ziel eingereichte Antrag, die im Ehescheidungsverfahren geltenden Zustellungsvorschriften zu umgehen, stellt zwar eine missbräuchliche Rechtsausübung dar. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ist im Licht von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG dennoch gegeben, weil eine vermögende Partei in der Situation der prozesskostenhilfebedürftigen Antragstellerin noch rechtzeitig vor dem Eintritt der Volljährigkeit der Tochter einen Scheidungsantrag bei dem dann noch örtlich zuständigen Amtsgericht eingereicht und gleichzeitig den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hätte.
12 WF 8/08
Beschluss
In der Familiensache
hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Einzelrichter am 24. Juli 2008 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14.01.2008 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 11. Dezember 2007 - unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen - teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin in Schleswig Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren bewilligt mit der Maßgabe, dass dies nicht gilt für die Mehrkosten, die durch die Anrufung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes entstanden sind. Insoweit wird der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Eine Ratenzahlungsverpflichtung wird nicht angeordnet.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist überwiegend begründet, da das Amtsgericht den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Unrecht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit für das Ehescheidungsverfahren zurückgewiesen hat. Das Amtsgericht Schleswig ist gemäß § 606 Abs.1 S.2 ZPO örtlich für das am 19.09.2007 durch Einreichung des Ehescheidungsantrages der Antragstellerin beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht rechtshängig gewordene Ehescheidungsverfahren zuständig, da zu diesem Zeitpunkt die Antragstellerin mit der damals noch minderjährigen Tochter der Parteien im Bezirk des Amtsgerichts Schleswig lebte. Die Tochter A ist unstreitig erst am 29.09.2007 volljährig geworden. Die gemäß §§ 81 Abs.1, 90 Abs.1 VWGO im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eingetretene Rechtshängigkeit wirkt auch nach der Verweisung der Sache an das Amtsgericht fort (siehe Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., § 261 Rn.3a m.w.Nw.).
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes ist es der Antragstellerin nicht verwehrt, sich auf die so begründete örtliche Zuständigkeit zu berufen. Die Einreichung des Scheidungsantrages beim Verwaltungsgericht in Kenntnis der nicht gegebenen Zuständigkeit mit dem Ziel, die im Ehescheidungsverfahren geltenden Zustellungsvorschriften zu umgehen, dürfte zwar mit dem Amtsgericht als missbräuchliche Rechtsausübung anzusehen sein. Das Amtsgericht weist zutreffend darauf hin, dass die Rechtshängigkeit bei einer Einreichung des Scheidungsantrages beim Amtsgericht später eingetreten wäre, weil vor einer Zustellung zunächst über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hätte entschieden werden müssen. Denn im Ehescheidungsverfahren gilt eine Kostenvorschusspflicht. Zutreffend ist auch der Hinweis des Amtsgerichtes, dass bei einem Eintritt der Rechtshängigkeit nach dem Zeitpunkt der Volljährigkeit der Tochter für die örtliche Zuständigkeit der Wohnsitz des Antragsgegners maßgeblich gewesen wäre.
Dennoch kann der Schlussfolgerung des Amtsgerichtes, die Antragstellerin könne sich auf die nur formal gegebene Zuständigkeit nicht berufen, weil sie diese offensichtlich treuwidrig herbeigeführt habe, nicht gefolgt werden. Die Prüfung der Frage, welche Folgen eine gegen § 242 BGB verstoßende Rechtsausübung hat, erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (siehe Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 242 Rn.5, 38 m.w.Nw.). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsfolge - örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Schleswig - nicht als unangemessene Rechtsfolge angesehen werden kann. Diese örtliche Zuständigkeit hätte sich nämlich auch dann ergeben, wenn eine vermögende Partei in der Situation der Antragstellerin unter dem 19.09.2007 einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht eingereicht und gleichzeitig den erforderlichen Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hätte. Auch dann wäre der Antrag vor dem Eintritt der Volljährigkeit der Tochter - mithin vor dem 29.09.2007 - zugestellt worden. Aus Art.3 Abs.3 S.1 GG folgt jedoch, dass einer bedürftigen Partei grundsätzlich in gleicher Weise Zugang zu den Gerichten eröffnet werden muss wie einer vermögenden (siehe Zöller-Philippi, ZPO, 26. Aufl., Vor § 114 Rn.2 m.w.Nw.).
Hinsichtlich der Mehrkosten, die durch die Anrufung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichtes entstanden sind, konnte dem Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entsprochen werden, da insoweit die gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht gegeben war. Das Verwaltungsgericht ist für die beantragte Ehescheidung nicht zuständig.
Ende der Entscheidung
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